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Mehr Sicherheit für Pflegekräfte

Mehr Sicherheit für Pflegekräfte

Krankenschwestern sind beliebt. Sie helfen, sind freundlich und haben immer ein offenes Ohr für die Anliegen ihrer Patienten. Und dennoch leben sie gelegentlich auch gefährlich. Immer wieder kommt es zu Konflikten mit verwirrten Patienten oder überforderten Angehörigen. Meistens bleibt es bei verbalen Anfeindungen. Es gibt aber auch Situationen, in denen sich das Pflegepersonal körperlich wehren muss. Darum bietet der Caritasverband seinen Mitarbeitenden jetzt ein Deeskalationstraining an. Hier lernen Schwestern wie sie sich vor Gewalt und körperlichen Übergriffen schützen können.
Derya Buyankara geht ihrer Kollegin Luisa Fischer an die Gurgel, zieht an ihren Haaren, greift nach den Armen und umklammert sie von hinten. Die Angegriffene wehrt die Attacken erfolgreich ab. Auch die anderen Pärchen im Raum suchen den Körperkontakt. Caritas-Pflegekräfte üben unter Anleitung von Deeskalationstrainer Oliver Krumme, wie sie bei Aggressionen, Gewalt und körperlichen Übergriffen professionell reagieren und sich schützen können.
„Das Phänomen, dass bei manchen Menschen die Sicherung schnell durchbrennt und die Aggressivität zu- und die Hemmschwelle abnimmt, wird vermehrt beobachtet“ berichtet Andreas Waning, Fachbereichsleiter der Caritas.
„Vieles lässt sich im Vorfeld durch beruhigende Kommunikation abfangen“, erläutert Angelika Teske. „Wenn ich aggressiv reagiere, dann reagiert der Patient oder der Angehörige auch aggressiv.“
Wie sie professionell und sicher handeln, wenn eine verbale Deeskalation versagt hat, lernen die Caritas-Pflegekräfte während der innerbetrieblichen Fortbildung. Trainer Oliver Krumme zeigt ihnen verschiedene Löse- und Abwehrtechniken und informiert über rechtliche Grundlagen. Alle Übungen probieren die Teilnehmerinnen gleich paarweise aus. „Hauptziel ist es, die eigene Gesundheit zu schützen“, erklärt Oliver Krumme.

Hier folgt ein WAZ-Artikel von Gordon Wüllner, 9.4.2019

Auch Pflegekräfte in Witten machen Erfahrungen mit sexueller Belästigung. Caritas und Diakonie haben das Problem erkannt.

Wenn Luisa Fischer manch einem Patienten den Rücken zudreht, wird sie erst gestreichelt – und dann endet die Hand häufig am Po. Sexuelle Belästigung: Für die 28-jährige ambulante Pflegekraft „anstrengend“, „belastend“, „üblich“. Aber: „Ich traue mich inzwischen viel mehr, meine Grenzen aufzuzeigen“, sagt sie. Für Fischer ist es das Resultat einer Fortbildung, zu dem der Wittener Caritasverband seine Pflegekräfte verpflichtet.

Fast 40 Prozent der Pflegekräfte werden laut einer Studie der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) einmal im Monat sexuell belästigt. „Immer wieder kommt es auch bei uns zu sexuellen Übergriffen“, sagt der Caritas-Vorstand Hartmut Claes. Gerade jüngere Mitarbeiter würden manche Situationen über sich ergehen lassen, um Patienten nicht zu verärgern, ergänzt Pflege-Fachbereichsleiter Andreas Waning. „Die Schulung zeigt: Niemand muss sich bedrängen lassen.“

„Toleranzschwelle sehr unterschiedlich“

Kampfsportlehrer und Psychiatrie-Pfleger Oliver Krumme lehrt bei den Trainings rhetorische Techniken und Handgriffe, um sich aus unangenehmen Situationen zu befreien – in engen Badezimmern oder kleinen Küchen etwa. „Eben in den Räumlichkeiten, in denen solche Vorfälle auch passieren“, sagt Waning. Dabei steht nicht nur der Umgang mit sexuellen Übergriffen auf dem Plan, sondern auch der Umgang mit Gewalt. Denn gerade Demenzpatienten würden in Angstsituationen zu aggressivem Verhalten neigen.

Auch bei der Diakonie hat man das Problem sexueller Belästigung erkannt – bildet aber bislang nur ausgewählte Kräfte weiter. „Ziel ist es, alle Mitarbeiter in dem Bereich zu schulen“, sagt Jens Fritsch, Geschäftsführer der Diakonie Ruhr Pflege – unabhängig davon, wie Mitarbeiter die meist verbalen sexuellen Grenzüberschreitungen wegstecken. „Die Toleranzschwelle der Kräfte ist hier sehr unterschiedlich“, ergänzt Fritsch. Ein größeres Thema als sexuelle Belästigung sei für die meisten Pflegekräfte die Gewalt im Arbeitsalltag.

Offen mit Erfahrungen umgehen

Ähnliche Beobachtungen macht Stephan Heidemann, Geschäftsführer des ambulanten Pflegedienstes CareMed, der sexuelle Übergriffe im Vergleich zu Gewalterfahrungen als „außergewöhnlich“ bezeichnet. „Das ist bei uns kein Alltag.“ Ähnlich äußert man sich bei der Lebenshilfe Witten, die sich auf die Pflege von Menschen mit Behinderung spezialisiert. Geschäftsführer Dieter König: „Natürlich gibt es auch bei geistig behinderten Personen sexuelle Vorstellungen.“ Mehr bereite man sich aber auf aggressive Ausbrüche vor.

Ob Erfahrungen mit anzüglichen Bemerkungen bis zur Geschäftsführung durchringen, hängt für Caritas-Pflegekraft Luisa Fischer auch damit zusammen, wie offen man mit solchen Erlebnissen umgeht. „Und bei uns wird da sehr offen drüber gesprochen.“

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